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Feedback in der Lehre

Seit die große Metastudie „Lernen sichtbar machen“ von John Hattie 2013 ins Deutsche übersetzt wurde, ist ein Thema aus den Debatten um unser Bildungssystem nicht mehr wegzudenken: Feedback. Doch was ist Feedback eigentlich, was ist es nicht?

Kurz erklärt: Was ist Feedback?

Regelmäßiges und strukturiertes Feedback ist eine wichtige Grundlage für erfolgreiches Lernen. Denn vor allem die kompetenzorientierte Lehre fordert von Studierenden mehr als Zuhören oder Skriptlesen. Idealerweise ist jeder Lernschritt handlungsorientiert geplant: ausprobieren, Erfahrungen machen, blinde Flecken oder Missverständnisse aus dem Weg räumen, Spezialfälle erkunden oder Grenzen von Modellen erleben – all das tun Studierende, wenn sie zu Lernhandlungen aufgefordert werden. Und all das funktioniert besser, wenn Studierende Gelegenheit haben, durch Feedback auf ihre Leistungen zu lernen und mittels Feedback an Lehrende die Lehre mitzugestalten. Denn Feedback ist…

all dialogue to support learning in both formal and informal situations“

David Carless, Diane Salter, Min Yang, Joy Lam: Developing sustainable Feedback practices. Studies in Higher Education.

Das bedeutet, dass Sie Zeit einplanen sollten, um sich mit den Studierenden abzugleichen. Sind die Lernschritte so gestaltet, dass die Studierenden jederzeit selbst erkennen können, ob sie gut mitkommen? Können die Studierenden also Verantwortung für ihr Lernen (und ihre Schwierigkeiten mit dem Lernen!) übernehmen? Gibt es ausreichend Gelegenheit zu üben? Und gibt es Feedback auf die Ergebnisse der Übungen? Sind die Kriterien klar, nach denen Sie bewerten? Und ist die Arbeitsatmosphäre offen und konstruktiv, so dass auch Rückmeldungen der Studierenden an die Gestaltung der Lernprozesse möglich sind?

Wie plane ich Feedback gezielt ein?

Sowohl Lehrende als auch Studierende geben und erhalten im Alltag ständig informelles Feedback. Man könnte auch Paul Watzlawicks Bonmot „man kann nicht nicht kommunizieren“ abwandeln in „man kann nicht kein Feedback geben“.

Feedback ist also Kommunikation. Menschen gestalten soziale Interaktion und geben sich damit gegenseitig Feedback: Ein Lächeln oder eine neugierige Rückfrage, ein Stirnrunzeln oder ein argumentativer Widerstand sind Rückmeldungen, die ihrerseits wieder Rückmeldungen erzeugen. Diese Reaktionen liefern viele Informationen und werden größtenteils unbewusst aufgenommen. Das macht sie anfällig für Missverständnisse, Vorurteile und Fehlinterpretationen. Es entsteht dann zum Beispiel der Eindruck, die Studierenden würden sich nicht für das Thema interessieren. Vielleicht wirken sie aber nur deswegen wenig motiviert, weil sie überfordert sind.

Daher sollten Sie in der Lehre immer auch strukturiertes Feedback erheben. Das bedeutet, dass Sie sich überlegen, was Sie von wem über was wissen möchten, und dass Sie Feedback-Settings gestalten, die zu Ihrer Fragestellung passen. Denn ein Fragebogen liefert andere Antworten als ein Gespräch, ein 1:1-Austausch verläuft anders als eine Befragung einer Gruppe, schriftliches, asynchrones und damit anonymes Feedback ist vielleicht direkter und ehrlicher als mündliche, synchrone Kommunikation mit Blickkontakt.

Die Kunst beim Planen von strukturiertem Feedback besteht darin, passende Fragen, Formate und Zeitpunkte auszuwählen und dadurch idealerweise ein Feedbackkonzept für das ganze Semester zu erstellen. Überlegen sie also, was Sie wann erkunden möchten und wählen dann Methoden und Themen aus. So können Sie vorgehen:

  • Möchten Sie Gelegenheiten schaffen, um den Studierenden Feedback zu geben oder möchten Sie eher Feedback erhalten, um etwas über die Sichtweisen der Studierenden zu erfahren?
  • Dabei können Sie in einem zweiten Schritt unterscheiden, ob es um den Leistungsstand der Studierenden gehen soll (Feedback auf Produkte) oder eher um die gemeinsame Arbeit in der Lehrveranstaltung (Feedback auf Prozesse).
  • Sie sollten zudem bedenken, ob das Feedback im Laufe des Lernprozesses stattfinden und somit den weiteren Verlauf beeinflussen soll (formativ), oder ob Sie am Ende Ihrer Lehrveranstaltung im Rückblick erfahren möchten, wie leistungsfähig Ihre Studierenden sind (summativ).

Diese Aspekte sollten Sie berücksichtigen

Für die Wege des Feedback-Erhebens helfen ein paar grundsätzliche Prinzipien, um offen und konstruktiv zusammenzuarbeiten.

Um lernförderliches Feedback zu geben, sollten Sie Methoden und Zeitpunkte planen, noch während Sie die Lehrveranstaltung konzipieren. Feedback braucht Zeit, es könnte also sinnvoll sein, die Stoffmenge zu reduzieren, um durch regelmäßiges Feedback ein nachhaltigeres und anspruchsvolleres Lernen zu ermöglichen.

Viele der klassischen aktivierenden Methoden eignen sich für Feedback. Mittels Aktivierung bauen Sie eine konstruktive und dialogorientierte Arbeitsbeziehung zu den Studierenden auf, können Fehlerfreundlichkeit erlebbar machen und so Ängste reduzieren. Zudem werden Sie für die Studierenden sichtbar als Gesprächspartner*in mit hoher Expertise und Neugier auf die Herausforderungen, die Noviz*innen beim Einstieg in Ihr Fach erleben. Idealerweise planen Sie einige größere Meilensteine im Laufe des Semesters ein, zu denen es Gelegenheit gibt, auf den gemeinsamen Lernprozess und seine Ergebnisse zu schauen. Zusätzlich sorgen Sie mittels kleiner, einfacher Methoden (z.B. One Minute Paper, Think-Pair-Share, Bepunktungen und Skalierungen) in jeder Sitzung dafür, dass gegenseitigen Rückmeldung möglich wird. So gestalten Sie Lehre als einen kontinuierlichen und inspirierenden Austausch.

Auch Feedback-Erhalten will gelernt sein! Das gilt sowohl für Lehrende als auch für Studierende.

  1. Feedback-Gebende brauchen Schutz, sonst äußern sie sich möglicherweise nicht offen. Die klassische Bitte um Rückmeldung „Wer hat das noch nicht verstanden?“ an eine Gruppe kann also dazu führen, dass sich niemand meldet – aber nicht, weil alles verständlich war, sondern nur, weil sich die Studierenden keine Blöße geben möchten. Lehrende als Feedback-Erhaltende sollten also Schutz ermöglichen, wenn sie von den Studierenden Feedback erbitten: Kritik lässt sich zum Beispiel einfacher äußern, wenn man anonym bleiben kann. Oder wenn in einem ersten Schritt quantitativ gefragt wird, etwa durch eine Skalierung oder eine Bepunktung, um dann daran eine qualitative Erkundung anzuschließen.
  2. Wenn Lehrende Feedback bekommen, sollten sie berücksichtigen, dass Studierende häufig wenig Erfahrung mit Rückmeldungen an Lehrende haben. Daher ist es wichtig, möglichst genau zu fragen: Je offener Fragen sind, desto vielfältiger und weniger spezifisch sind wahrscheinlich die Antworten. Das kann hilfreich sein, um Aspekte zu entdecken, an die Sie bisher nicht gedacht haben. Es kann aber auch unbefriedigende, ungenaue oder zu knappe Antworten liefern. Geschlossene Fragen geben sehr eng vor, was als Antwortmöglichkeit zur Verfügung steht, nämlich “ja” oder “nein”. Das macht Abfragen schnell beantwortbar, es kann aber auch geschehen, dass Sie durch die Formulierungen die Realität der Studierenden nicht treffen. Bei geschlossenen Fragen ist es wichtig, möglichst genau zu fragen, um Missverständnisse zu vermeiden. Und es kann helfen, eine offene Frage an die Antwort anzuschließen, indem Sie beispielsweise nach konkreten Beispielen fragen oder Gelegenheit geben, die Antwort zu begründen. Quantitative Abfragen gehen ebenfalls schnell, liefern aber wenig inhaltliche Hinweise. Dennoch ermöglichen sie eine erste Einschätzung der Lage, wenn zum Beispiel 80% der Studierenden bei der Frage, ob sie das Thema der Sitzung verstanden haben, auf einer Skala von 1 (überhaupt nicht) bis 10 (voll und ganz) eine 2 geben. Dieses Ergebnis ist eine gute Basis, um im Anschluss nach Gründen zu fragen, weil die Studierenden dann wissen, dass sie mit ihrer Verwirrung nicht allein sind und sich eher trauen, darüber zu sprechen.
  3. Wichtig ist, auf das Feedback nicht mit Rechtfertigungen zu antworten. Das erweckt bei den Feedback-Gebenden den Eindruck, nicht wirklich gehört zu werden. Falls ein Feedback offensichtlich auf einem Missverständnis beruht, kann es hilfreich sein, nachzufragen, um den Fokus des Feedbacks verstehen zu können. Aber grundsätzlich sollte Feedback angenommen werden. Welche Aspekte des Feedbacks aus Ihrer Sicht relevant sind, können Sie dann in Ruhe sortieren und eventuell in der nächsten Sitzung besprechen.

Produkte können beispielsweise Lösungen für Übungsaufgaben, Zwischenstände für komplexere Arbeitsphasen oder Reflexionen über bisheriges Wissen sein. An Produkten können Sie und Ihre Studierenden erkennen, ob der Lernprozess in der gewünschten Form aufs Learning Outcome einzahlt. Daher haben Produkte während des Semesters auch viel mit der Prüfung am Ende des Semesters zu tun, und daher kann kontinuierliches Feedback im Laufe der Lehrveranstaltung auch dazu beitragen, dass die Prüfung freier und anspruchsvoller gestaltet werden kann (siehe formativ – summativ).

Bevor Sie Feedback auf Produkte geben können, sollten Sie Kriterien für die durch das Produkt geforderten Leistungen definieren und mit den Studierenden besprechen. Dabei sollten Sie Formulierungen wie “gut“, „außergewöhnlich“ oder „unzureichend“ vermeiden, da sie zu pauschal sind oder lediglich eine Leistung mit den Leistungen anderer Studierender vergleichen. Auch sollten Sie vermeiden, die Personen zu bewerten statt ihrer Leistungen – Formulieren wie „jemand ist eine gute Studentin“ oder „diese Gruppe ist sehr schwach“ sind meistens zu pauschal und nicht lernförderlich. Stattdessen sollten Sie mittels der Kriterien eine Antwort auf die Frage geben können, woran Sie erkennen, dass eine Leistung gut oder nicht gut ist. Sie benötigen also konkrete, an den Aufgaben orientierte Formulierungen.

Eine tabellarische Übersicht zu diesen Feedback-Formen erhalten Sie in diesem Dokument.

Geht es eher um Prozess-Feedback, kann es sinnvoll sein, Kriterien für gelungene oder nicht gelungene Prozesse gemeinsam zu entwickeln und beide Sichtweisen – Ihre als Lehrende*r und die der Studierenden – zu berücksichtigen. Gerade bei Prozessfeedback kann es sein, dass Studierende eine Situation ganz anders wahrnehmen als Sie, weil ihnen als Noviz*innen im Thema vielleicht Dinge schwerfallen, die Sie mit Ihrer hohen Expertise so souverän und intuitiv tun, dass Sie die Hürden des Anfangs nicht mehr erinnern. Prozessfeedback kann also ein Anlass sein, neben Kommunikation, Geschwindigkeit und Arbeitsweisen auch die Logik des jeweiligen Faches zu beleuchten.

Beim formativen Feedback, dem „Feedback for learning“, erhalten Studierende Feedback auf ihre Leistungen im Laufe des Lernprozesses, zum Beispiel auf Lösungen zu Übungsaufgaben oder Zwischenergebnisse wie Meilensteine. Formatives Feedback ist also häufig ein Feedback auf Produkte (siehe oben). So können Sie sehen, ob die Studierenden den Anforderungen entsprechen können, die zum jeweiligen Zeitpunkt erreicht sein sollten. Durch regelmäßiges formatives Feedback können Sie zudem vermeiden, dass Studierende nicht regelmäßig mitarbeiten und kurz vor der Prüfung schnell alles auswendig lernen wollen.

Denn die Studierenden bekommen durch formatives Feedback kontinuierlich eine Rückmeldung zu ihrer Leistungsfähigkeit. Dies ist vor allem wichtig, um Eigenverantwortung zu ermöglichen. Sowohl Sie als auch Ihre Studierenden können so den Lernprozess während des Semesters besser gestalten, indem Sie beispielsweise mehr Zeit zum Üben oder intensivere Phasen für Rückfragen einplanen. Zudem ermöglicht formatives Feedback den Lehrenden, deutlicher zu sehen, welche Aspekte die Studierenden besonders herausfordernd finden, wo es Missverständnisse oder Fehlkonzepte gibt und was sie brauchen, um diese Herausforderungen zu meistern.

Eine tabellarische Übersicht zu diesen Feedback-Zeitpunkten erhalten Sie in diesem Dokument.

Summatives Feedback, das „Feedback of learning”, ist die klassische Prüfung am Ende der Lehrveranstaltung. Die Rückmeldung auf die Leistungen hat das Ziel, den Lernprozess einerseits abzuschließen und andererseits zu bewerten. Daher können Sie und Ihre Studierenden diesen nicht mehr verändern, sondern nur für den nächsten Lernprozess Schlüsse daraus ziehen. Summatives Feedback ist in der Tat mehr Prüfung als Feedback und hat daher Funktionen, die nur die Prüfung haben kann: Bewertung, Selektion und – bei Abschlussprüfungen – Auskunft an Akteure außerhalb der Hochschule.

Idealerweise nutzen Sie formatives Feedback im Laufe des Semesters so, dass Sie im Hinblick auf die Prüfung am Ende

  1. niedrigtaxonomisches Wissen regelmäßig checken und so zum langfristigen und nachhaltigen Lernen anregen, damit
  2. in der Prüfung am Ende des Semesters keine Zeit mehr für Wissensabfragen eingeplant werden muss, sondern anspruchsvollere Aufgaben auf der Taxonomiestufe gestellt werden können, die Sie im Learning Outcome beschrieben haben.

Ein integriertes Feedback- und Prüfungskonzept kann Ihnen also dabei helfen, anspruchsvoll kompetenzorientiert zu prüfen.

Fazit

Feedback is one of the most powerful influences on learning and achievement.

John Hattie in The Power of Feedback, S. 81

Allerdings gelte es einige Aspekte zu beachten, sonst könne es seine Lernförderlichkeit nicht entfalten. Planen Sie Feedback gezielt ein, nutzen Sie vielfältige Methoden und nehmen Sie die Rückmeldungen Ihrer Studierenden ernst. Durch konsequentes Feedback wird Hochschullehre zu einem intensiven Dialog über Ihr Fach, der langfristig und inspirierend Lernen lebendig macht.

Links & Literatur

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  • Antonia Wunderlich

    Dr. Antonia Wunderlich ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Lehrentwicklung der Technischen Hochschule Köln. Sie leitet das Neuberufenenprogramm der TH Köln und bietet Coaching und Beratung zu hochschuldidaktischen Themen an.

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