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Mit dem One-Minute-Paper den Schreibmuskel trainieren

Um akademische Texte schreiben zu können, müssen Studierende sich Sachwissen über das wissenschaftliche Arbeiten aneignen: Was sind die Anforderungen an wissenschaftliche Texte? Wie zitiere ich richtig? Et cetera. Ihr Schreiberfolg hängt jedoch auch in hohem Maß von Handlungswissen ab, also von Erfahrungen, die gesammelt werden, und Routinen, die sich herausbilden. Aus schreibdidaktischer Sicht ist es daher sinnvoll, den Schreibmuskel regelmäßig zu trainieren – zum Beispiel mit dem One-Minute-Paper.

Für Studierende ist das Schreiben von Texten im Studium eine nicht zu verachtende Herausforderung. Im schlimmsten Fall wird es sogar als regelrechte Qual empfunden – was zu Texten führen kann, mit denen Lehrende als Lesende und Prüfer*innen nicht zufrieden sind. In der Schreibdidaktik wird als mögliche Ursache hierfür gesehen, dass während des Studiums mitunter zu wenig geschrieben wird – und wenn es doch Schreibanlässe gibt, sind diese in aller Regel als Prüfungsleistung mit einer Bewertung und mit Zeitdruck verknüpft (vgl. ausführlich Furchner/Ruhmann/Tente 2014: 62f.). Dies kann dazu führen, dass das Schreiben allein deshalb als Hürde wahrgenommen wird, da tatsächlich nur in Stresssituationen geschrieben wird. Wie kann dem entgegengewirkt werden?

Schreiben lernt man durch Schreiben

Ein einfaches Mittel liegt im Schaffen von Schreibanlässen jenseits von Prüfungsleistungen, die sich ohne großen Mehraufwand in die Fachlehre integrieren lassen. Für Studierende hat dies den Vorteil, dass sie – weitestgehend ohne Druck – praktische Schreiberfahrungen sammeln und das Schreiben als akademisches Denk- und Lernwerkzeug erfahren können. Im Idealfall wird so das Schreiben im Studium „veralltäglicht“, sowohl für Studierende als auch für Lehrende. Und zudem wird der wesentlichen Rolle des prozeduralen Wissens beim Erwerb von Schreibkompetenz Rechnung getragen. Denn, um es einmal auf eine denkbar einfache Formel zu reduzieren: Schreiben lernt man durch Schreiben. Die durch regelmäßige Schreibanlässe langsam entstehende Schreib- und Formulierungsroutine ist insofern die beste Vorbereitung für die nächste schriftliche Prüfungsleistung; routiniert Schreibende werden schließlich auch bessere Texte verfassen.

Einfache Schreibanlässe schaffen

Für Lehrende ist dabei der folgende Punkt besonders wichtig: Um Schreibanlässe zu schaffen, ist es nicht notwendig, die gewohnten Lehrabläufe auf den Kopf zu stellen; vielmehr genügt es, kurze, gezielte Impulse zu setzen (vgl. auch Lahm 2016: 111f.). Dies kann zum Beispiel in Form kleiner Schreib- und Reflexionsübungen erfolgen, zu denen etwa das Freewriting oder auch das Erstellen eines Akrostichons zählen. Darüber hinaus können Studierende dazu angeregt werden, Mitschriften anzufertigen, sich Notizen zu machen oder vielleicht sogar ein Lerntagebuch zu führen.

Ein ebenso einfacher und doch wirksamer Schreibanlass im Rahmen einer Präsenzveranstaltung ist das sogenannte One-Minute-Paper. Am Beispiel dieser Übung lässt sich veranschaulichen, dass sowohl Lernende als auch Lehrende durch regelmäßige Schreibanlässe profitieren: Studierenden bietet ein One-Minute-Paper die Möglichkeit, die vergangene Seminarsitzung oder Vorlesung zu reflektieren, die wichtigsten Inhalte zu wiederholen und dabei auch schriftlich festzuhalten. Und auch für Lehrende lohnt es sich, das Schreiben auf diese Weise in eine Veranstaltung zu integrieren: Sie können im Rahmen der Übung ein schnelles Feedback erhalten und recht unkompliziert den Lernfortschritt erfassen, um zu erfahren, wo ihre Studierenden aktuell stehen. Außerdem bieten One-Minute-Texte immer auch gute Möglichkeiten des Austauschs und der Diskussion mit den Studierenden: Wo gibt es offene Fragen? Welcher Aspekt könnte vielleicht noch vertieft werden? Etc. Wie funktioniert dies nun genau?

Das One-Minute-Paper am Ende einer Lehrveranstaltung

Für die Durchführung eines One-Minute-Papers werden keine großen zeitlichen oder materiellen Ressourcen benötigt: Es genügt, wenn die Schreibenden Stift und Papier zur Hand haben und wenige Minuten Zeit bekommen. Der Name der Übung ist dabei tatsächlich ein wenig irreführend; es sollten etwa drei bis fünf Minuten für das Verfassen eines One-Minute-Textes veranschlagt werden. Dabei ist jedoch ein großer Vorteil der Übung, dass sie auch mit größeren Gruppen, egal ob im Hörsaal oder einem Seminarraum, problemlos durchgeführt werden kann.

Die Studierenden werden (in aller Regel) am Ende einer Lehrveranstaltung gebeten, innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens einen kurzen, spontan-assoziativen Text zu schreiben. Dabei sollen sie Fragen beantworten, die in der gegebenen Zeit bearbeitbar sein sollten und etwa in die folgende Richtung gehen:

  • Welches Thema, welche inhaltlichen Schwerpunkte wurden heute angesprochen?
  • Welche Kernbegriffe wurden hierbei erläutert?
  • In welchem Zusammenhang steht das Thema der heutigen Sitzung zum übergeordneten Thema der Lehrveranstaltung?
  • Was hat mich besonders interessiert und woran würde ich gerne weiterarbeiten?
  • Was ist mir unklar geblieben? Was habe ich nicht verstanden?

Lehrende können das One-Minute-Paper flexibel an ihr Lehr-Lern-Setting anpassen, indem sie den zeitlichen Umfang der Übung oder die Auswahl der Fragen variieren. In jedem Fall werden die entstandenen Texte weder benotet noch auf andere Art bewertet. Insbesondere wenn es um ein ehrliches Feedback zur Lehrveranstaltung gehen soll, muss zudem darauf geachtet werden, dass die Texte anonym verfasst werden.

Studierende trainieren so möglichst frei die spontane Textproduktion und die schriftliche Auseinandersetzung mit dem relevanten Lernstoff. Lehrende haben die Möglichkeit, die Texte einzusammeln und für die Nachbereitung ihrer Lehre zu nutzen; ggf. können offene Fragen oder Diskussionsanregungen in der nächsten Sitzung aufgegriffen werden.

Links & Literatur

Header-Bild: © Johnstocker/stock.adobe.com

  • Andreas Bissels

    Andreas Bissels ist verantwortlich für das Schreibzentrum der Kompetenzwerkstatt an der Technischen Hochschule Köln. Als Schreibberater begleitet er Studierende und Promovierende beim Verfassen von Texten, bietet Schreibworkshops an und organisiert Schreibevents. Für Lehrende ist er fachübergreifender Ansprechpartner in schreibdidaktischen Fragen.

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