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Studiengänge mit Curriculumwerkstätten entwickeln

In einer Curriculumwerkstatt entwickeln Sie in aufeinander abgestimmten Schritten kompetenzorientierte Studiengänge. Nach einer Stakeholder- und Benchmarkanalyse folgt die Entwicklung eines Absolvent*innenprofils. Das Curriculum wird darauf abgestimmt, indem eine Modulmatrix entwickelt und aufeinander aufbauende Modulziele formuliert werden.

Kurz erklärt: Was ist eine Curriculumwerkstatt?

Ein Curriculum kompetenzorientiert zu konzipieren, ist eine komplexe Aufgabe. Im Ergebnis bedeutet das: Studiengangs- und Modulziele sind aufeinander abgestimmt, der Workload ist realistisch und studierbar, Lernprozesse werden im Laufe des Studiums komplexer, alle beteiligten Kolleg*innen stehen in einem kollegialen und konstruktiven Austausch miteinander. Der Prozess der Curriculumwerkstatt trägt diesen Anforderungen Rechnung.

Was leistet eine Curriculumwerkstatt?

Wird ein Studiengang neu entwickelt oder ein bestehender weiterentwickelt, bietet sich eine Neu- oder Umstrukturierung im Rahmen einer Curriculumwerkstatt an. Eine solche Werkstatt besteht aus aufeinander abgestimmten Schritten, sodass ein Studiengang entsteht, der sich im Ergebnis durch folgende Merkmale auszeichnet:

  • Lernprozesse sind handlungsorientiert und nachhaltig angelegt, so dass die erworbenen Kompetenzen auch in späteren Semestern oder nach Ende des Studiums aktualisierbar bleiben.
  • Mit Hilfe von kompetenzorientierten Prüfungen wird wirklich das geprüft, was gelernt werden sollte.
  • Die Qualität des Curriculums wird sichtbar und sicher, denn es wird transparent, über welche Kompetenzen ein*e Absolvent*in dieses Studiengangs verfügt.
  • Lehrende können als Team inspirierende Lehre (für die Studierenden und für sich selbst) anbieten, indem die einzelnen Module und Veranstaltungen schlüssig ineinandergreifen und so weniger Reibungsverluste erzeugt werden.

Was beinhaltet eine Curriculumwerkstatt?

Eine Curriculumwerkstatt enthält vier Meilensteine und eine jährliche Qualitätssicherungsschleife.

Meilenstein 1: Von der Studiengangidee zum Absolvent*innenprofil

Am Anfang steht eine Idee für einen Studiengang. Diese Idee wird in der Beschreibung des Studiengangziels explizit: Auf welche Bedarfe und Probleme ist der Studiengang eine Antwort? Dazu passend wird das Absolvent*innenprofil entwickelt, das beschreibt, was genau die Studierenden am Ende dieses Studiums können werden.

Ein Absolvent*innenprofil beschreibt die Kompetenzen, die die Absolvent*innen eines Studienganges erwerben sollen. Ein Absolvent*innenprofil ist somit das Learning Outcome eines Studiengangs, für das keine Inhalte aufgelistet werden, sondern in dem möglichst konkret beschrieben wird, was Absolvent*innen nach dem Studiengang können werden. Dabei werden verschiedene Anforderungsbereiche oder Handlungsfelder dargestellt. Ein Absolvent*innenprofil sollte von den Personen formuliert werden, die in diesem Studiengang maßgeblich lehren werden. Darüber hinaus ist es wichtig, weitere Stakeholder wie spätere Arbeitgeber*innen, Berufsverbände, Lehrende anderer Hochschulen, Studierende beim Formulieren des Absolvent*innenprofils einzubeziehen, sie nach ihren Perspektive zu befragen und diese mit den eigenen disziplinären und wissenschaftlichen Vorstellungen zusammenzuführen. Auch ein Benchmarking sollte durchgeführt werden, um herauszuarbeiten, inwiefern sich der Studiengang von anderen, ähnlich konturierten Angeboten an der eigenen und an anderen Hochschulen national und international unterscheidet.

Meilenstein 2: Handlungsfelder und Modulmatrix bestimmen

Aus dem handlungsorientiert formulierten Absolvent*innenprofil wird abgeleitet, welche zentralen Handlungsfelder man für den Studiengang bestimmen kann. Ein Handlungsfeld beschreibt typische Vorgänge in einem Arbeitsbereich bzw. einer beruflichen Domäne. Aus den Handlungsfeldern ergeben sich Modulcluster, d.h. es werden hier Module zusammengestellt, die den typischen Handlungsfeldern zugeordnet werden können. Diese werden dann so im Studienverlauf angeordnet, dass die angestrebten Handlungskompetenzen sukzessive erworben werden können.

Wie können aus den weit gefassten Zielen für den gesamten Studiengang einzelne Module abgeleitet und den jeweiligen Studienabschnitten zugeordnet werden?

Folgt man der konstruktivistischen Auffassung vom Lernen, geht man davon aus, dass Wissen grundsätzlich handelnd angeeignet und subjektiv konstruiert wird. Das heißt, Wissen kann nicht als fertiges Konstrukt von den Lehrenden zu den Lernenden transportiert werden, sondern es braucht Anreize für Lernhandlungen, mittels derer das Wissen von den Lernenden selbst konstruiert werden kann. Damit dieser Konstruktionsprozess so verläuft, wie Lehrende es für ihr Fach wichtig und richtig finden, bieten sie Aufgaben und Herausforderungen mit dem jeweils zum Lernstand passenden Niveau an, geben kontinuierlich Feedback und steuern auf diese Weise, was die Lernenden abspeichern und was sie als Fehler aussortieren. Für ein Curriculum ist also zu beachten, dass Kompetenzen nur in Handlungen sichtbar werden können. Daher sollte studentisches Lernen immer in Handlungen eingebettet sein. Die Komplexität der Situationen, in denen diese Handlungen vollzogen werden, steigt im Laufe des Studiums an. Das reicht von einfachen Aufgabenstellungen bis zu komplexen Projekten, die im Team selbstständig bearbeitet werden.

Dafür bietet es sich an, das Curriculum spiralförmig aufzubauen. Das bedeutet, dass der Stoff nicht aus einer Fachlogik (Kapitel A, Kapitel B, Kapitel C etc.) heraus auf die Semester verteilt wird, sondern aus einer Handlungslogik des Faches bzw. der späteren beruflichen Domäne der Studierenden (Handlung A, Handlung B, Handlung C). Handlungen können, da sie komplex sind, Aspekte aus mehreren Kapiteln umfassen. Angeordnet werden diese Lernhandlungen gleichsam in Form einer Spirale, so dass Kompetenzen im Laufe des Studiums mehrmals adressiert werden. Mit jeder Spiralrunde steigt das Niveau, z.B. indem Themen im Laufe des Studiums komplexer oder Aufgabenstellungen freier formuliert werden, oder indem Studierende selbstständiger arbeiten oder mehr Verantwortung für die Steuerung ihrer Lernprozesse bekommen.

Radfahren lernen Kinder nicht, indem sie einen Vortrag hören, dann jemanden beim Fahren beobachten und dann selbst auf das Rad steigen. Sie fahren von Anfang an: Erst Laufrad oder Dreirad (mit vielen kreativen Ideen und Fehlern). Dann steigen sie auf ein kleines Fahrrad um und werden von einer Begleitperson gehalten. Wenn sie sich dabei sicher fühlen, fahren sie ohne gehalten zu werden. Eine nächste Stufe ist das Fahren ganz allein, am liebsten im Kreis um das Haus herum oder auf einem Feldweg ohne Verkehr. In dieser Phase üben sie, beim Fahren nach hinten zu schauen, ihre Geschwindigkeit zu erhöhen, enge Kurven zu nehmen oder scharf zu bremsen. Später lernen sie, Verkehrsregeln zu beachten und irgendwann können sie sogar situationsangemessen und selbstständig am Straßenverkehr teilnehmen. Und manche werden sogar zu einem späteren Zeitpunkt Rennradfahrer*innen.

Es gilt also zunächst zentrale Handlungsfelder zu identifizieren und diesen Modulcluster zuzuordnen, die jeweils mit Learning Outcomes versehen werden. Diesen werden dann schließlich einzelne Module zugeordnet. Die Module sollten so aufeinander abgestimmt sein, dass ein roter Faden sichtbar wird. Welche Module bauen aufeinander auf? Inwiefern tragen sie zum Learning Outcome der Handlungsfelder bei? Wird der Kompetenzerwerb sukzessive und miteinander verknüpft aufgebaut? Steigt die Komplexität der (Lern-)Handlungen mit der Semesterzahl? Was ist mit Kompetenzen oder Kompetenzbestandteilen, die quer zu den Fachinhalten liegen wie z.B. wissenschaftliches Arbeiten, Projektmanagement und anderes methodisches Know How?

Meilenstein 3: Lernen und Prüfen im Curriculum – Veranstaltungskonzeption

Nun wird es konkret: In dieser Arbeitsphase werden Learning Outcomes, relevante Inhalte und Prüfungen für einzelne Module formuliert. Die Learning Outcomes aller Module beziehen sich direkt (von einem Semester auf das nächste) oder indirekt (über mehrere Semester hinweg) aufeinander. Das Absolvent*innenprofil gibt den Zielhorizont vor, der den Studierenden eine grobe Orientierung gibt: Wozu soll ich diese Kompetenz erwerben? Prüfungsformen und -aufgaben steuern wesentlich, wie die Studierenden lernen und arbeiten. Sie orientieren sich an der Prüfung, auch wenn Lehrende es lieber sähen, dass Studierende um des Faches willen, aus Neugier oder Interesse, mit ihnen arbeiten. Beides schließt sich jedoch nicht aus, denn letztlich gehört der Fokus auf die Prüfung zu den zentralen Aufgaben in einem Studium. Wer sich nicht mit den Prüfungen befasst, wird wahrscheinlich das Studium nicht abschließen. Daher ist es sinnvoll, die Prüfung in das Zentrum der Lehre zu stellen: Wenn Prüfungen genau die Kompetenzen adressieren, die entwickelt werden sollen, dann wird die Frage „Kommt das in der Prüfung dran?“ zu einem konstruktiven und inspirierenden Gesprächsanlass. Dieser Zusammenhang ist unter der Bezeichnung Constructive Alignment weltweit handlungsleitend für die Hochschullehre bekannt.

Meilenstein 4: Lehr- und Prüfungsorganisation und Reality Check

Abschließend werden die im jeweiligen Akkreditierungsverfahren verlangten Dokumente des Studiengangs zusammengestellt. Und auch die Kapazitäts- und Ressourcenplanung sowie das Prüfungsmanagement müssen für den Studiengang fertiggestellt werden. Hier kann deutlich werden, dass Expertise für den geplanten Studiengang fehlt oder Lehrende mit ihren alten Lehrgebieten nichts mehr zu dem Studiengang beitragen können. Dann ist es Teil der Curriculumwerkstatt, im Kollegium Lösungen dafür zu entwickeln.

Meilenstein 5: Jährliche Qualitätssicherung – Quality Check

Im Rahmen der Qualitätssicherung, insbesondere im Zuge der Systemakkreditierung, erfolgt einmal im Jahr eine datenbasierte Evaluation des Studiengangs. Diese Gesamtsicht auf den Studiengang dient der ständigen Weiterentwicklung des Studiengangs. Im Rahmen einer kleinen Curriculumwerkstatt können die Aspekte aller o.g. Meilensteine berücksichtigt werden. Werden die intendierten Ziele zufriedenstellend erreicht? Wenn nicht, liegt es an einer ungenauen oder unrealistischen Formulierung des Absolvent*innenprofils oder ist das Profil nicht mehr aktuell? Liegt es am nicht konsequenten Aufbau des Curriculums? An einzelnen Modulen oder Lehrveranstaltungen, die die beabsichtigte Vernetzung aller Module aufweichen oder stören? An der Lehr- und Prüfungsorganisation, die mit Raumnot, Prüfungshäufungen und massiv steigendem Beratungsbedarf der Studierenden einher geht? Zusammen wird nach Lösungen gesucht, die den Studiengang kontinuierlich verbessern. Ohne diese kontinuierliche Reflexion und Weiterentwicklung kann man zwar hoffen, dass ein Studiengang das hält, was man sich davon verspricht – man weiß es aber nicht so genau.

Leitfragen für die Curriculumentwicklung

  • Wie passt der Studiengang zum Leitbild/Profil der Hochschule? Soll er ein bestimmtes Profilmerkmal aufweisen (z.B. Forschungsorientierung, Projektorientierung oder Internationalität)?
  • Über welche Kompetenzen sollen die Studierenden am Ende des Studiums verfügen?
  • Inwiefern zielen diese Kompetenzen auf Beschäftigungsbefähigung (Employability) ab, inwiefern auf die Befähigung zur Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung (Citizenship) und wo zeigt sich der wissenschaftliche Anspruch? Wie lernen die Studierenden z.B. systematisch theoriegeleitet neue Erkenntnisse zu generieren?
  • Wird der Studiengang den internen und externen Anforderungen gerecht? (Stakeholderanalyse)
  • Wie unterscheidet sich der Studiengang von anderen Studiengängen an der eigenen Hochschule? Worin ähnelt bzw. unterscheidet sich der Studiengang im Vergleich zu Studiengängen an anderen Hochschulen im In- und Ausland? (Benchmarking)
  • Welches (Vor-)Wissen und/oder welche Qualifikationen sollten die Studierenden mitbringen?
  • An welche (Folge-)Studiengänge soll Anschlussfähigkeit bestehen?
  • Welche zentralen Handlungsfelder tragen zum Erreichen des Absolvent*innenprofils bei?
  • Welche Module können diesen Handlungsfeldern zugeordnet werden?
  • Wie soll der Kompetenzerwerb in Querschnittsthemen (wissenschaftliches Arbeiten und Schreiben, Projektmanagement, Fachenglisch, Excel, Mathe, Genderkompetenz o.ä.) gestaltet werden? Wie wird der Transfer gewährleistet?
  • Welche Annahmen über Kompetenzentwicklung stehen hinter dem Aufbau der Modulmatrix? Welche theoretischen Begründungen liegen ihnen zugrunde?
  • Wie kann das Learning Outcome eindeutig formuliert werden?
  • Welche Taxonomiestufe soll mit dem Learning Outcome adressiert werden?
  • Passt die Prüfung zum Modulziel?
  • Passt der Workload zum angestrebten Learning Outcome?
  • Ermöglicht das gewählte Lehr-Lern-Format den Erwerb der definierten Lernergebnisse?
  • Sind die 10 Kriterien für Studiengänge der TH Köln berücksichtigt?
  • Sind alle Bereiche der Kompetenzentwicklung curricular angemessen berücksichtigt? (Welchen Anteil soll welches Handlungsfeld am Studiengang haben? Warum?)
  • Variieren die Prüfungsformen?
  • Ist die Studierbarkeit gewährleistet (z. B. wie viele Projekte liegen in einem Semester, wie viele Prüfungen)?
  • Ist der rote Faden erkennbar? Bauen die Module aufeinander auf (gibt es z.B. Verweise in den Modulbeschreibungen)? Wird das gelehrt und geprüft, was im nächsten Modul gebraucht wird?
  • Sind Lernschleifen vorgesehen?
  • Wo zeigen sich unnötige Redundanzen? Wo sind Wiederholungen wichtig und sollten eingeplant werden?
  • Was bedeutet der Aufbau des Studiengangs für die beteiligten Lehrenden: Ist ihre Expertise berücksichtigt? Sind die notwendigen Kapazitäten vorhanden? Muss neue Expertise entwickelt oder durch neue Lehrende abgedeckt werden? Wie kann das erfolgen?
  • Wie hoch ist die Erfolgsquote? Wie hoch ist die Absolvent*innenquote? Wie viele Studierende können den Studiengang in Regelstudienzeit absolvieren?
  • Womit haben die Studierenden Schwierigkeiten und warum?
  • Welche sind kritische Module und Lehrveranstaltungen? Womit ist das belegbar?
  • Welche Module sollten verändert werden? Wer sollte mit seinen*ihren Ideen daran beteiligt werden?
  • Werden im Studiengang tatsächlich die definierten Kompetenzen adressiert? Wie kann man das feststellen?
  • Wie hoch ist die Abbruchquote und was ist über den Verbleib der Studierenden bekannt?
  • Wie werden die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten im Studiengangentwicklungsprozess geklärt: Wer übernimmt welche Rollen und Aufgaben?
  • Besteht Transparenz darüber, welche Rahmenbedingungen feststehen und welche Gestaltungspielräume vorhanden sind?
  • Wie erfolgt die fachinterne Diskussion und Abstimmung von Konzepten, Strategien, Arbeits- und Entscheidungsverfahren?
  • Wer ist wann von wem worüber zu informieren?
  • Wo und von wem werden Informationen gesichert bzw. dokumentiert?

Downloads

Links & Literatur

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  • Susanne Gotzen ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Zentrum für Lehrentwicklung der TH Köln, machte eigene Schritte zur Lehrentwicklung in ihrer Ausbildung zur Lehrerin (1. und 2. Staatsexamen) und in Lehrveranstaltungen für Lehramtsstudierende und publiziert hochschuldidaktische Artikel.

  • Dr. Antonia Wunderlich ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Lehrentwicklung der Technischen Hochschule Köln. Sie leitet das Neuberufenenprogramm der TH Köln und bietet Coaching und Beratung zu hochschuldidaktischen Themen an.

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